firma raumforschung

modul 14   raumpraktiken: kunst und öffentlicher raum
am 06.12.2003 fand ein gespräch zu kunst und öffentlicher raum mit elke krasny, kulturtheoretikerin, künstlerin und kuratorin (z.b. "welt ausstellen" im technischen museum, wien), peter rantasa, initiator von phonoTAKTIK (wiener elektronik- musikfestival) und direktor des mica, und der VolxTheaterKarawane (letztes projekt beim festival "public playgrounds- labor für künstlerische eingriffe" in düsseldorf) statt.

vorbereitung des gesprächs:
03.12.2004
liebe elke krasny, lieber peter rantasa, liebe VolxTheaterKarawane,
das gespräch am 6.12. wäre folgendermassen vorstellbar:
zunächst stellt jeder von euch seine kunstpraktiken mit öffentlichen räumen vor, wie ein kürzeres eingangsstatement (max. 10 minuten, eher kürzer), um dann in eine gemeinsame diskussion zu kommen (fragen für diskussion weiter unten)
erst vorschläge für die statements, (wir könnten uns darüber auch noch anderweitig abstimmen)
- elke krasny z.b. das projekt "name game&qout; von plan b. was ist der einsatz und die definition von raum aus der perspektive des projektes. bedeutung der sprachpolitik für den öffentlichen raum. was wird auf der sprachlichen verhandlungsebene von stadt wie besetzt und verhandelt.
- peter rantasa z.b. phonotaktik mit seinen dezentralen aufführungspraktiken, warum, und wie fällt die wahl auf welche orte. wie ist die informationsstrategie von phonotaktik,
- VolxTheaterKarawane am beispiel düsseldorf und eventuell genua. wie fällt die auswahl auf welche orte, worüber konstituieren sich die praktiken, aufgrund welcher interessen werden entscheidungen für orte gefällt und mit welchen strategien arbeitet ihr dann vor ort. wie sind die organisationformen dieser aktionen und mit welchen zielen. welche bedeutung hat das internet als erweiterter medienraum für euch. wie ist das vorgehen im netz. mit welchem konzept des öffentlichen raums arbeitet ihrdann könnten wir unsere diskussion entlang der folgenden fragen entwickeln:
welche künstlerischen und politischen interessen stehen hinter der ergreifung von städtischen arealen um sie zu aktionsräumen für kunst zu erklären? und welche regionen in der stadt sind für dieses ergreifen von interesse
Durch was sind diese urbanen bereiche definiert, durch welche symbole werden sie öffentlich besetzt??? wie sind mögliche definitionen des "öffentlichen raums"? gibt es den "öffentlichen raum&qout;?
wir freuen uns
einen lieben gruss
claudia bosse



statement/protokoll VolksTheaterKarawane vom 9.12.2004:
liebe claudia
gerald sprach davon, dass ihr etwas für die doku gebrauchen könnt ...
also ein paar erinnerungsfetzen von mir.
die vtk war durch drei leute vertreten (na, eigentlich waren es mehr ... wenn man/frau alle rhizoiden ausläuferinnen mitdenkt)
unser eingangsstatement (ca 10 min zeitraum) teilen wir auf (düsseldorf fft und lambach fdr)
"...eventuell düsseldorf oder genua. wie fällt die auswahl auf welche orte ..." war der vorschlag!
gerald und ich unterreden uns kurz.
er spricht über düsseldorf. die aktion zur schubhaft sozusagen auf düsseldorfer lokale verhältnisse übertragen. Lokale strategie also. vernetzung mit möglicherweise sich solidarisierenden gruppen (antifa, autonome, infoladen...) im vorfeld. und an vorhandene kontakte anknüpfen.
es gibt ein frauengefängnis mitten im ort. und niemand weiß scheinbar davon. obwohl sie knapp daneben leben, wie sich beim lokalaugenschein herausstellt.
die geplante performance im/am/um den bus (unser Mobil ...das wir als Bühne verwenden wollten) wird kurzerhand in den theaterraum verlegt (foyer), da er auf der Reise kaputt geht.
Motorschaden.
füge dann, als meines erachtens gutes beispiel, die aktion von lambach an. ("biometrische vermessungen im rahmen des fdr 2003 - die kunst der feindschaft)
auch weil grad der strafprozess eröffnet wurde. im kopf ist die aktion aktuell da.
gutes beispiel für unsere arbeitsweise...grenzgang...kunst/politik ... oder auch legalität/illegalität...und für die diskussion zum thema öffentlicher raum.
da auch der vorwurf kam: wir wären da zu weit gegangen. wir hätten als "schulfremde" nichts dort zu suchen gehabt.
anmerkung: überschneidungen zwischen theater/performance und gerichtsverhandlung
rechtsprechung
tu mir schwer. bin unvorbereitet. das thema öffentlicher raum. uff!
es sagt sich so leicht. aber wie ist das mit dieser trennung, die man/frau so leicht sprachlich vollziehen kann.
seit der debatte in den 60er oder 70ern (das private ist politisch) hat sich ja einiges verändert.
der öffentliche raum ist "segmentiert, zerissen, aufgelöst" (a.noll - öffentlichkeit und charakter füg ich jetzt hinzu)
entsteht ein öffentlicher raum nur im kopf ?
also virtuell...der erdenraum zu begrenzt...im kopf unendlich viel raum (in den köpfen)
dann kommen verschiedene zusammen und es braucht zeit, um sich einigermassen klar zu werden, von welchem öffentlichen raum der/die einzelne spricht.
oder auf welche definition von öffentlichem raum man/frau sich einigen will. oder nicht.
temporär?
c.bosse: zitiert m.certeau...differenz taktik - strategie.
die strategie als die um eine dimension, den zeit-faktor, erweiterte taktik. (die kunst des handelns)
in meiner "freien rede" fällt mir auf, dass das ekh (ernst-kirchweger-haus) für mich beides ist: ein öffentlicher raum und ein privater. und dass das eben über die jahre hinweg so entstanden ist. der schnitt geht durch den körper ?
die Zeit! eine zuhörerin bringt die zeit ins spiel. in die diskussion.
von verantwortung ist die rede. im zusammenhang mit dem zeitfaktor.
ich kontere: es könnte ja auch schon die störung (eine kurzfristige aktion) als verantwortung gesehen werden...die etwas anstösst...wenn es wichtig ist, etwas anzustossen ?
(h.arendt fällt mir dazu natürlich ein: die folgen einer tat sind nie abzuschätzen...)
eine andere zuhörerin bringt das "alter" ins spiel. also den ausschluss alter menschen aus der gesellschaft...dem öffentlichen raum. weil es nicht mehr möglich ist "mitzu-halten".
ausschlussmechanismen der vorherrschenden gegebenheiten.
es fällt auf, dass viel kriegerisches vokabular verwendet wird.
und vieles, was auf die beeinflussung, die durchdringung unserer sprache durch die sprache des marktes/ökonomie/kapitalismus...hinweist.
mir fällt m.buber ein (das dialogische prinzip): im haus der sprache gibt es viele wohnungen.
es wird die demokratie eingeworfen.
und macht.
eine stadt ohne strassennamen (e.krasny´s projekt...sichtbarmachung von verschwindendem...die nachnamen der frauen...) wird "vorgestellt". gibt es auch real...tirana ?
aus verteidigungstechnischen gründen wurden die strassennamens-schilder abmontiert, um den eindringenden feind die orientierung im "fremdland" zu erschweren.
andere orientierungs-taktiken wären notwendig.
es wird über autos gesprochen. über diesen privaten raum, der den öffentlichen besetzt.
da nehmen sich die besitzerinnen und fahrerinnen einen raum. und den anderen weg.
auch über sicherheit wird gesprochen. das schloss als symbol, dass das private vom öffentlichen trennt.
es ist paradox: wie sie herbeibeschworen wird (durch das viele reden über sie ?)
und dabei gibt es im kapitalismus keine sicherheit.
(fällt die forderung der precarias ein: flexicurity ... der text von raunig über die proteste in spanien)
doch welche funktionen unterscheiden die beide bereiche : öffentlich - privat
" die fickzellen ..." von heiner müller
im schlussatz war von "blockwarten" die rede. im zusammenhang mit wiener bezirkspolitik.
und dann fiel noch ein müller-zitat.
und dann mit dem nachtbus spät nach hause!
lieben gruss
elisabeth

statement elke krasny vom 13.12.2004:
"Der öffentliche Raum als Lektüreraum ist ein historischer Speicher par excellence. Die beschriftete Stadt, in der wir uns alltäglich bewegen, in denen Namen von Straßen, Plätzen und Gassen zu Merkzeichen aktueller Orientierung werden, ist ein Reservoir hegemonialer Geschichtsschreibung. Weibliche Geschichte(n), Frauen sind im öffentlichen Leseraum Stadt unter-repräsentiert. Zugleich ist die öffentliche Ausstellung der Namen auf den Schildern der Straßen udn Gassen der Stadt paradoxerweise oft eine Anonymisierung. Wir nehmen ihre Klang für gegeben, wir nennen sie als Treffpunkte, die Namen, wir gehen an ihnen entlang, ab er wer kennt Frau Adamberger (Gasse in 1020) oder Frau Sträußle (Gasse in 1100) oder Frau Längenfeld (Gasse in 1120) …
Und noch nie habe ich jemanden sagen gehört: "Und heute gehe ich wieder in den öffentlichen Raum.&qout; Der öffentliche Raum entsteht zuallererst im Kopf. Verändert sich die Wahrnehmung und die denkende Vorstellung des öffentlichen Raums, dann verändern sich die Handlungen und Aktionen, die dort ihren Ort finden können, die wiederum auf die Wahrnehmung des Ortes einwirken können … viele Kreisläufe, ineinander verschränkt.
Die Klage um den Verlust des öffentlichen Raums ist omnipräsent. Aber wer sind die Verlierer: die Öffentlichkeit. Und wohin wandert die Öffentlichkeit aus, wenn ihnen dieser Raum, der ihr genuin zugeschriebene Raum, abhanden gekommen ist? "


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