perser review

  corpus 16.8.2009
Perserräume und Chorteppiche

REVIEW #1 DER TRAGÖDIENPRODUZENTEN 2009 THEATERCOMBINAT IN DER WIENER ANKERBROTFABRIK

Von von Bettina Hagen

Der erste Teil der Serie der „Tragödienproduzenten“ von theatercombinat (25.-29. März 2009) ist - ursprünglich im fünften vorchristlichen Jahrhundert angesiedelt - bei Claudia Bosse direkt unter den Menschen heute angekommen. „Die Perser" von Aischylos ist aber nicht nur eines der ältesten Dramen, sondern auch die einzige erhaltene griechische Tragödie mit zeitgeschichtlichem Inhalt. Der junge persische König Xerxes hatte in maßloser Selbstüberschätzung die Athener angegriffen, und obwohl diese zahlenmäßig unterlegen waren, bei Salamis eine schreckliche Niederlage erlitten. Die Tonfall der Tragödie ist über weite Strecken der einer Klage der daheim gebliebenen Alten und Frauen über die Anmaßung des jungen Königs, die in jedem Fall nur in einer Bestrafung durch die Götter enden konnte.

Im Zuge der „Perser Review" waren in der riesigen Verladehalle der Ankerbrotfabrik Bildschirme und Lautsprecher aufgestellt, die Ausschnitte aus  Claudia Bosses Perser-Inszenierungen der letzten drei Jahre aus dem Leerraum der Wiener Linien unter der Mariahilferstraße, aus dem Genfer Théâtre du Grütli und dem Staatstheater Braunschweig zeigten. Für diese Installation wurde ein ganzer Kilometer Kabel verlegt, die sich in das rohe Gesamtbild der Halle mit ihren Lautsprechertürmen aus roten Kisten einfügten. Aus den Lautsprechern drang die Textspur der Braunschweiger Perser-Inszenierung. Von drei Beamern wurden Szenen der früheren Aufführungen und Choreografiezeichnungen an die Wände projiziert. Als Erinnerungsstücke erfüllten die Bilder den Raum, und als Tondokumente ersetzten die aufgezeichneten Stimmen zunächst die Akteure.

Die Akustik der vormals „persifizierten" Theater- und Industrieräume vermischte sich mit jener der Expedithalle. Nach ungefähr einer Stunde, in der sich das Publikum frei im Raum bewegen konnte, betreten Performer die solchermaßen bereitete Halle und sprechen Textteile der Übersetzungen von Peter Witzmann und Heiner Müller. Die Aufmerksamkeit des Publikums wird damit gebündelt. Trotzdem behält die Perser-Review ihren Installationscharakter. Die bis zu 340 Chorteilnehmer der drei Aufführungsstationen wurden durch zwölf Lautsprechertürme ersetzt, die Inszenierungen durch das ausschnitthafte Bildmaterial zerstückelt, und erst der Dialog zwischen Liveperformance und dokumentiertem Material lässt den Zuschauer seiner eigenen Rolle als Verbündeter in diesem Tun gewahr werden.

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