commune 1-73
73 fragmente zur pariser commune von claudia bosse mit kompliz*innen.
vom 25. august 2021- 29. mai 2022, FFT düsseldorf.

 


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claudia bosse
commune 1-73

fragment 3 konkrete utopie
berlin/ wien, 7. september 2021

kunst kann konkrete utopie
im formulieren von unwahrscheinlichkeiten
konkrete utopie ist eine praxis mit anderen
ein training
handlungen
körper räume vorstellungen
unwahrscheinliches, welches materiell wird, haptisch erfahrbar in einer begrenzten zeit
materialisierte räume des unwahrscheinlichen
welche auftreffen auf verschiedene formen des gesellschaftlichen
diese temporären orte der kunst werden durchdrungen gestört abgeschliffen
oder erst existent im auftreffen auf gesellschaftliche subjekte
die diese unwahrscheinlichen formulierungen so oder so erFASSEN.

der raum, ja der raum, als eine umgebung, der es ermöglicht
eine raumzeit als auffaltung in der das grosse U möglich sein kann
Utopos Utopie AAAAtopie CHRONOtopos
raumZEIT für haptische spekulationen oder neue mythologien
DORT möglich zu denken oder möglich
aufmerksamkeit auf flüchtiges oder flüchtendes
RANDzonen

orte als
ZEIT an einem ort
sie existieren in der zeit und sie existieren nicht
kunst schafft diese orte in der zeit als unORTE experimenteller verhältnisse

sind utopien immer nur an die menschliche spezies und ihre organisation gesellschaftlicher räume und ordnungen gebunden? als ideale gesellschaften, die gesellschaften von menschen mit menschen denken?
oder dystopien erSCHRECKend oder zukunftsVISIONEN
von wo aus werden diese NICHTorte gedacht?
wenn ich mit den würmern und mikroben
unter der erde leben würde
zerfallen würde zerfressen werde
würde ich mich auflösen und teil werden von anderen
ökologische/n utopie/n oder
kunst als erfahrung um unser verhältnis mit dem nichtmenschlichen zu verstehen
oder die atome in uns, die aus anderen galaxien kommen

utopie ist der ort, den wir vielleicht verlassen müssen
denn er denkt mit macht oder mächten unterdrückung gegenwehr
in systemen von eigentum organisation erhalt
andere orte des denkens ermöglicht vielleicht kein ort sondern ein STOFFwechsel
austausch, stoffe, die durch andere anderes werden, transFORMATION
der stoff oder dessen zerfall immer nährstoff wird für andere/s
und zugleich
utopie ist ein ort
außer funktion
ein ort, der sich der zeit widersetzt und zeit einfängt
der bewegungen und artikulationen ermöglicht, die nicht bereits über den entsprechenden zweck domestiziert sind oder beherrscht in der verwertungskette der einfachen nützlichkeiten
STEINzeit

wenn ich einen stein betrachte oder eine gesteinsformation
sehe ich das herausschieben von zeit, die meine lebenszeit um ein vielfaches übersteigt
drängen von erdmassen oder das erkalten von ehemals vulkanischen flüssigkeiten
zeit als landschaft
gezeichnet durch arbeit von menschen in geschichteten steinen pfaden
markierungen der erfassbarkeit oder der benutzung
aber ich ein zeitPUNKT
lebenszeit ein winziger fleck an diesem ort
millionen jahre
chronotopos topos

vor einigen tagen besuchte ich eine industriebrache in berlin mit einem ökologen, der mich bat, keine bilder zu machen, damit dieser ort heimlich bleibt. geschützt in seiner wuchernden schönheit. eine wucherung in der stadt. IST ES ein utopischer ort, weil in ihm dinge entstehen dürfen, und weil er vergiftet ist. ein toxischer ort, und nur weil er toxisch ist, er nicht berührt, verwertet oder in ihn eingegriffen wird. mit organischen überwucherungen von resten industrieller produktion, mit kacheln, metall, beton und see linsen, die eine hellgrüne schicht über ein ehemaliges klärbecken ziehen. verschiedene zeiten. außer funktion.
sich überlassen
ist eine möglichkeit immer der zerfall von etwas anderem
ist utopie (auch) ein überlassen in der zeit?
wuchern
an orten an denen dies sich ereignen darf
ein heimlicher ort, der wuchern darf
dessen betreten eine rechtliche übertretung ist
vergiftet aber regenerierend

der älteste stein ist vier milliarden jahre alt
aus dem ERDinnern an die ERDoberfläche
aus dem erinnern an die oberfläche
vulkanische bewegungen, umwandlungen von energie/n
magma tiefes magma verwitterung und erosion
erKALTung abtrag zersetzung
sonne wind regen
die erste utopie, der ich begegnet bin war vielleicht
jules vernes „die reise zum mittelpunkt der erde“
die vorstellung von etwas unvorstellbarem

kunst das unvorSTELLBARe
nicht die WIRKLICHkeit zu wiederholen
sondern das unVORstellbare vorstellbar machen
IMAGinatiOn
vielleicht ist utopie der ort in dem die erschöpfung der eigenen existenz den steinen übergeben werden kann
dimensionen JENSEITS DER ZEIT, die für mich noch vorstellbar sind

in java ist leere niemals leer, sondern immer bewohnt
leere als ort der wohngemeinschaft verschiedener zeiten, geister und bewohner verschiedener substanzen
mit fäulnis insekten pilzen tieren
gewesenes haust oder herrscht in leeren oder zurückgelassenen orten
sie übernehmen sie und…

utopie als der ort der einiges im anderen finden lässt
die leber, die die etrusker als orakel verwendeten, wurden gelesen nach modellen, die den übertrag ihrer kosmologie auf eine leber verzeichneten
eine unmögliche entsprechung oder überführung
der kosmos in meinem organ

„alle körper, die belebten und unbelebten, die festen, flüssigen und gasförmigen, sind durch jene dinge selbst, welche sie trennen, miteinander verbunden. alles hält sich gegenseitig fest“
das zitat stammt von auguste blanqui einer der mitglieder der französischen commune, der jedoch als sie stattfand inhaftiert war, schrieb im gefängnis 1871 den text „die ewigkeit durch die gestirne„ in dem er die these vertritt, dass wenn alles was existiert sich durch 64 einfache substanzen zusammensetzt (heute ca 118) auf die energie und schwerkraft einwirken, es auch einen zweiten planeten erde gibt, auf dem ereignisse sich anders abspiel(t)en als hier, mit alternativen gegenwarten und zukünften.

vielleicht ist es auch utopisch, dass unsere gegenwart immer im licht der vergangenheit erscheint. die zeit besteht immer aus verschiedenen zeiten. wie auch die sterne, die wir betrachten, längst verglüht sind. wir betrachten, wenn wir in den himmel schauen, unterschiedliche vergangenheit getrennt durch lichtjahre, und die entfernung, die das licht durch den raum von der quelle zu uns zurücklegt.
wir sehen den polarstern vor 430 jahren, wenn wir heute die vergangenheit seines glühens am nachthimmel sehen

SCHRECKbild oder utopie?
transformation und MITsein. genauer ausführen irgendwann!
ENERGIE licht zeit
„denn die dahingeschiedenen der materie werden alle wieder zu teilen des lebens, was auch immer ihre bedingung sein mag“ auguste blanqui

für eine solidarität mit der zukunft (in der kunst)!

 

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