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  probenprotokolle/gespräche

vom 6.4.98
improvisationsstruktur 1. arbeitsphase. thema: wiederholung und widerstand.
besprechung der improvisation:

wie geht der bereits gemachte weg in die wiederkehr zum gleichen ausgangspunkt mit ein. rückkehr und aufbruch sind nicht immer gleich, wurden zu mechanisch wiederholt und wirkten deshalb ermüdend. die wiederholung keine bloß formale, entwickeln einer kenntnis der differenz. der abbruch und der neuansatz ist ein schnitt, keine leere, die differenz ist im körper zu halten.

das ganze eine frage der strukturierung der zeit, vielmehr eine produktion von zeit. "jeder aufbruch ist ein wirklicher aufbruch, von dem man nicht weiß, wohin er führt und daß man wiederkommt" (c. b.). auf dieser ebene holt die arbeit die struktur und produktivität des fragements ein. die darstellung des fragmentarischen ist also keine bloß formale, von außen gesetzte, sondern in die arbeitsweise selbst eingelassen. berührt fragen von entwicklung, abbruch, fortschritt, arbeit als veränderung des gegenstands. und wieder: die differenz zwischen der aneignung, produktion, veränderung einer regel und der ausübung einer anordnung.
chris standfest

2.5.98
pausengespräche: p/cl über gestern.

spreche mit f, weil ich sie nicht verstand - nach gesprächseinleitenden vorbemerkungen eine erste vielleicht konkret zu verstehende formulierung – die differenz zwischen theaterarbeit und psychotherapie - auftauchende grenzen werden von manchen als persönliche thematisiert und damit dem theatralen zusammenhang entzogen – das interessiere sie nicht, daraus könne auch kein ensemble entstehen. ich sage, daß das eine wiederkehrende bemerkung zu dieser arbeitsform sei (die therapie), die man nicht weg argumentieren kann, lediglich ernst nehmen und weitertreiben. läßt sich vielleicht thematisieren (mit f) über die differenz mittel oder material – suche ich nach mitteln, die „das private“ theatralisieren oder begreife ich es als material, das im theatralen prozeß verändert wird – den bedingungen der situation unterworfen ohnehin schon nicht mehr privat ist (da sichtbar und immer nur im konkreten zusammenhang/raum genau so stattfindet). die frage dabei, wie man sich klar wird/wir uns klar werden, an welchen wirklich radikalen gesellschaftlichen zusammenhang damit gerührt wird. heißt ja, die strategien bürgerlicher identitätsbildung/existenzweise (und damit sich selbst, verbesonderung, habitus, diskursformationen usw: individualität) einer situation zu unterwerfen, die all das negiert: chor. vollständige sichtbarkeit von allen zu jeder zeit. ausgesetztheit im raum, füllsel, requisiten, "bedeutung" usw. eliminiert, selbst zu erzeugen; plus fragment, keine rollen usw.; diese ausgesetztheit also (im mehrfachen sinn – konfrontiert und stillgestellt) begreifen, auch das hoffnungslose davon, anstatt wie vielleicht anders intendiert – als avantgarde – ein „gegenbild“ zu entwerfen, beispiel sex: will ich ein bild von befreiter sexualität malen oder mit den konkret auftauchenden problemen umgehen, d.h. mit unserer konstellation und dem text arbeiten.

chris standfest

arbeitsgespräch christine standfest/josef szeiler 5.6.98
j
es ist ja einfach nur ein dramatischer text, ein fragmentarischer dramatischer text für das theater geschrieben, was immer das auch ist, das theater, und ihr versucht‘s damit umzugehen, unten steht die losung, im foyer, was der sinn der arbeit ist, zur selbstverständigung.

c
selbstverständigung mit theatralen mitteln?
j
naja, man hat frustration mit dem großen raum, also auch privatester art, persönlicher art, jeder hat einmal vielleicht phasen von unzufriedenheit oder frustration, weil das hat mit der technischen schwierigkeit der texte zu tun, glaub ich, überhaupt wie man umgeht mit dem theater, dem sogenannten, ich mein, das ist beim schreiben einfach, das mit der selbstverständigung erst einmal weil man allein ist damit, wenn man schreibt.
c
und du hast etwas fixiert und kannst an dem wieder überprüfen.
j
genau. und hier ist das material halt auch die menschen, die das machen.
c
mmh. und ständig wechselnde bedingungen.
j
und ständig wechselnde bedingungen, mal mehr, mal weniger druck, den man absorbieren kann, druck eigentlich fast immer.
c
welcher art
j
naja, sagen wir mal außendruck, der druck des eigenen lebens, des eigenen berufsbildes, des eigenen verständnisses von theater, von leben, von kommunikation. dann die bekannte nicht-vorhandene unterstützung vom haus wenn du so willst, in dem man das macht und dann noch der konflikt mit den zuschauern manches mal. d.h. man muß in permanenz eine kämpferische haltung haben. und das ganze soll ja auch irgendwie noch freude machen. weil sonst geht man immer nur ins straflager.
c
mmh.
j
trotz alledem ist es so, daß man glaube ich die arbeit sich nur selber ruinieren kann. also die, die sie machen. schlicht und ergreifend ist es so, man hat noch bis zum 22. juni bedingungen, wo man arbeiten könnte, oder feste feiern oder was immer auch. das ist die reale bedingung. also wenn du willst das privileg.

vom 12.6.98
als grundregel der arbeit ist akzeptiert: grundmoment interner kommunikation ist das spiel, die praktisch-thatrale entwicklung von konflikten und die formierung dieses moments durch claudia: beschreibung der vorgänge in den impros, sinnmonopol auf konfliktpotential und dramaturgie der szenen, daraus entwicklung der arbeitsstruktur – ablauf der proben, der vorstellung, der setzung fixierter und nicht-fixierter teile. die von claudia entwickelten vorgaben, ihr input, sind ein permanenter vermittlungsprozeß – zwischen dem potential des stoffs, ihres eigenen konfliktpotential, den bedingungen durch die spieler und den zwängen der institution theater – eine aufreibende mischung aus unbedingtem durchsetzungswillen, dem bestehen auf der widersprüchlicjkeit von begehren oder bedürfnissen und der absicherung der form, in der sich das austrägt, nach außen und innen. sie hat also zu vermitteln zwischen ihrem bedürfnis nach provokation und kontrolle des konflikts und freigabe der voraussetzungen, mit dem risiko des zusammenbruchs der verständigung.

vom 13.6.98
das moment publikum, was ist das, was ist unser interesse in bezug auf den stoff dabei. beschreibung der verschiedenen reaktionen auch der „generationen“, der ruhigen aufmerksamkeit, ergriffenheit vieler älterer, deren nähe zum stoff, aber auch zur ruhe des spiels, das sich gegenseitig überträgt. die etablierung des konflikts – des asozialen – über die räumliche konstellation und die adresse des spiels, die den zuschauer in seiner thatralen und „dramaturgischen“ position thematisiert (kann die kaumann sein. oder die masse. oder der soldat. oder fatzer flanierend am kanal.)

oder das publikum als „demokratisch urteilende öffentlichkeit“, eine position, in der schweiz ganz anders politisch etabliert als in deutschland, zumal in der französischen/genf sich als aufgeklärtes bürgertum ganz anders setzt. dagegen der stoff – „comme au sovjet“ – einführung des mehrheitsbeschlusses und des terrors. brecht als antidemokrat: „lad ich euch ein teilzunehmen an meinem streit“.

oder: der zuschauer, der als passiv-konsumierender beiwohner eines spektakels nicht in ruhe gelassen wird. umgekehrt: eine position zur lustigen interaktion mit den leuten, wie von den jungen menschen in der nachtvorstellung provoziert – party-people, mtv-abenteuer, hauptsache irgendein kontakt passiert. "zerstörung des zimmer. der zeit."
c.s.


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