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– MITschrift | sabine holzer
– reflexion einprägsamer momente | constantin leonhard
– animality humanity | riyadhus shalihin (en)
– assoziationen, wahrnehmungen, notizen | oliver maus

 

zur performance in wien (11. oktober 2020 in der halle G, tanzquartier wien)

MITschrift von Sabina Holzer

Weiße Bühne. Weißer Tanzboden. Weiße Vorhänge als Wände, als Begrenzung des Raums. Leichtes Gewebe. Eine fliegende Figur hängt von der Decke. Ein Kopf, zwei offene Arme, ein Kleid. Ein Bein irgendwie verdreht.

Gläserne Behälter. Auch als Podeste eingesetzt. Ungefähr kniehoch. Eine Tasche hängt am Mikrophonständer. Auch ein Mikro steckt dort. Die „Carrier Bag Theory von Ursula K. Le Guin besagt, dass es um das Einsammeln geht. Das Sammeln von Phänomenen und Dingen, aus denen dann eine Geschichte entsteht. Vorne auf einem gläsernen Sockel, gelbe Handschuhe. Vielleicht aus Gummi.

Eine Figur aus Schaumstoff. Abstrahiert. Ihre Vorderseite geöffnet. Hängende Haare. Eine silberne Rettungsdecke liegt am Rand des Raumes. Auch Latten und Rohre lehnen gegen die Wand. Leere Mikroständer stehen im Raum. Manche der Dinge hängen an leichten silbernen Ketten von der Decke.

Eine Frau (Claudia Bosse) tritt auf. In silbernen Shorts und glitzerndem T-Shirt. Auf einer geraden Linie kommt sie nach vorne. Schaut direkt zu den Leuten bis ein Blinzeln beginnt. Die Fingerspitzen zittern rund um das Gesicht. Die Figur scheint zu beben und hält eine gestische Ansprache. Macht eine rätselhafte Aussage. Diese Gesten. Sind sie ein Prolog? Werden sie wiederkommen?

Die Frau geht ab und kommt wieder. Diesmal von der Seite, mit Schnüren. Glasbehälter mit Organen und Wasser.

Haare, Häute, Membrane. Oberflächen, glatt und gekerbt. „Der Gekerbte beschreibt jenen Raum des Staates und der Sesshaftigkeit, während der Glatte dem Nomadischen gleichgesetzt wird. Glatter Raum ist offen, irregulär. Gekerbter Raum gerastert und geordnet.“ Gilles Deleuze und Félix Guattarie.

Die Haut hängt wie ein Fell. Über die Schulter der Jägerin.

Langsam mit jedem Atemzug. Jeder einzelne Atemzug wird hörbar. Verstärkt vor dem Mikro. Vergrößert. Mikro wird zu Makro, wird Atemwind. Der das Wort sucht. Das Wort findet.
Die Worte. Den Satz. Die Setzung: „You are so beautiful.“ Das ist der Anfang. Wer ist gemeint?

Der Körper. Der Körper, der schwingt, der weich ist. Kein souveräner Stillstand. Sie sind in Bewegung und pulsieren. Die Organe, die Zukunft und Vergangenheit verbinden. Die Zukunft mit der Gegenwart. Die Vielfältigen. Und all das. Und noch mehr. Ist mit uns. Together. To gather.
Sie ist der Schatten. Der Schatten, der die Falten erforscht. Ihre Winkel und Verbiegungen. Sie erkundet mit ihre Zunge. Ihre vielen Zungen. Zärtliche Zungen wünscht sie sich. Diejenigen, die berührt wurden vom Atem, berührt sind vom Speichel. Das will sie.

Diese Figur. Diese Unheimliche. Deren Körper nicht ihr Heim ist, ihr kein Heim schenkt. Deren Körper nicht ganz der ihre ist. Der ein wenig herumschlenkert. Seine Balance nicht hält, sondern mit ihr schwingt. Mit gehobenen Armen, zum Beispiel, und dottergelben Händen. In Handschuhen. Zitronengelbe Socken über metallbeschlagenen Schuhen.

Das Zwinkern der Augen. Unschärfe. Etwas ist ins Auge gefallen: „Du wirst gesehen haben, wie die Bäume revoltieren. Die Toten der Meere werden mit uns auf den Straßen stehen. Für die Gleichheit. Die Gleichheit aller Körper.“

„Gewalt wird sich verändert haben, aber nicht besänftigt sein.“

Die Angst. Das Zwinkern – erzittern des Auges. „Die Geschichte des Auges“ von Georges Bataille. Die Zungen. Der rohe Körper. Die metallbeschlagenen Schuhe, die auf den Boden schlagen, ihn anschlagen. Spricht Boden! Gib mir Boden! Bist Du bereit, Boden? Metallisch, a-rhythmisch angefragt, aufbereitet, angerufen.

Währenddessen tritt ein anderer Schatten auf. Ein junger Mann. Sehr einfach. Er zieht die ältere Frau zu sich, als wolle er sie beruhigen. Er legt sie auf die silberne Decke. Die Eier, die er mitgebracht hat, zerdrückt sie über seinem fast nackten Körper. Über seinem nackten Wesen. Seinem verfremdeten Geschlecht. „I am your oracle“, sagt er mit fremder Kinderstimme. In Kleider von Frauen schaut er in die Eingeweide von Tieren, der Opfer. Der junge Stier.

„Könnte ich mein Geschlecht gegen das seine tauschen“, sagt die Frau später. „Ich starrte auf die Menschen. Sie, die den Priester anstarren.“ Die Maschine im Hintergrund, die eine Lunge aufbläst, die vorne auf der Bühne steht.

Ein Golem. Eine Synthese. Ein synthetischer Golem, aus dem sich Quasi-Gedärme entfalten.
Das Singen der Sirenen. Das Singen des entsetzten Körpers, des sagenhaften Ereignis, welches der Körper ist.

Rätselhaftes Bartstreichen.
Das Werfen des Haarbüschel mit dem Mund. Hier die Bewegung interessanterweise plötzlich mit eingeschlichenen Partnern. Verschlingen wir uns selbst? So wie die Gefahr des Begehrens, in dessen Gewalt liegt- darin besteht, Vergewaltiger*in zu werden?

Der Körper wird aufgezählt und erzählt. In Kinderstimme. Rosa Palettenorgane aus dem Körper, in den Körper. Sprich mit mir. Du Inneres, Du Äußeres. Zählen und Schreiben. Beschreibung einer rituellen Opferung einer Frau, die zum Altar von Männern begleitet wird. Menschen und Tiere sollen vereinbart werden in einem Tanz mit Organen. Ein Röntgenbild als Schild vor dem Kopf.

Ist es ein ritueller Raum? Ein Ort oder Unort? An dem Zeiten und Bilder durch Körper wandern? Der Atem durch den Ort wandert und Gestalt annimmt?

„Eating the I / eye.“
„The unconsciousness is not a theatre but a big big mouth.“
„The cosmos in our organs. The future in our organs.“
„All traumas can be cannibalized.“
„The language without a body.“

Eine parallele Figur, die sich Claudia Bosse nennt. Staatsanwältin, Fußballspielerin, Kriminalistin usw. Das Spiegelbild fragmentiert die andere Frau, die ich als Claudia Bosse kenne. „Ist ein Tier eine Sache?“ Oder ein Fragment? Oder sind wir das Fragment?

Das große Herz senkt sich vom (Theater)Himmel. Mensch und Tier. Oder Mensch und Maschine?

Sie liegt unter dem Herzen.
Sie kniet unter dem Herzen. Auf allen Vieren.
Sie berührt das über ihr hängende Herz mit den Fußsohlen. Läge uns der Boden am Herzen, wie würde sie sein, die Befragung des Schafs?
Die Frage: Wie lange kann Gaia uns noch tragen?
Das organähnliche Objekt am linken Bühnenrand, von dem ich später höre, dass es eine Rinderlunge ist, wird von einer Maschine mit Luft versorgt.

Sabina Holzer ist Performerin, Autorin und Bewegungspädagogin. Sie ist Mitbegründerin des Instituts für künstlerische Forschung zur körperlichen Poesie der Kindheit (2018) und Teil des transdisziplinären Künstler*innenclusters Stoffwechsel – Ökologie der Zusammenarbeit sowie Pädagogin für systemische und integrative Bewegungslehre.



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zur performance in düsseldorf (31. oktober 2020 am FFT düsseldorf)

Reflexion einprägsamer Momente von Constantin Leonhard

Am Abend des 31. Oktober 2020 in Düsseldorf. Vor dem zweiten bundesweiten Lock-Down, ist die Zukunft gefühlt ungewisser als sonst. Ein Orakel, das in Innereien die Zukunft ließt, wäre bei den Etruskern in einer solchen pandemischen Situation konsultiert und akzeptiert worden, um die Verzweiflung der Gegenwart durch eine günstige Prognose für die hoffentlich bessere Zukunft zu überwinden.Die Aussagen des Orakels wurden jedoch nie als die eine Wahrheit angesehen, sondern durchaus als Vermutung, die Spielraum für diverse Interpretationen ließ. Anders als bei heutigen angeblich „Erwachten“ oder „Erweckten“ war das kulturelle Bewusstsein über den Charakter des Orakels ausgeprägt und somit vielleicht weniger subversiv und gefährlich. Von Anfang an war man sich bewusst, dass es eine Vielheit an Deutungen gibt oder das Orakel sogar lügt, wie schon in antiken dramatischen Texten.

FLEISCH - Dass der heutige Körper, der Körper der Gegenwart, mit seiner Zukunft verknüpft ist, war das einzige, was das Orakel mit Sicherheit verkündet hat. Mit diesem gegenwärtigen Körper versucht Claudia Bosse in „ORACLE and SACRIFICE 1 oder die Evakuierung der Gegenwart“ diese Verknüpfung von Körper und Zukunft zu überprüfen. Hierfür ist eine laborweiße Bühne mit verschiedenen Versuchsobjekten bestückt. Besonders im Fokus sind die tierischen Organe, die in gläsernen Aquarien auf die Bühne gezogen werden. Eine Lunge wird hauchend, reaktiv zum jeweiligen Bühnenvorgang durch einen Luftschlauch beatmet. Auch die anderen Organe werden durch Handlungen aktiviert, bereit Teil der Wirklichkeitsüberprüfung zu werden - Das Fett wird zur zweiten Hautschicht. Wissenschaftliche Settings in theatralen Räumen laufen durch den Hype der künstlerischen Forschung häufig in zähen und ziellosen Abende aus. Hier jedoch wird der/die aktivierte Zuschauer*in ständig durch Worte, Blicke und Bewegungen adressiert und aufgefordert dieses Experiment mit eigenen Augen nachzuvollziehen, seine Existenz mitzuerleben und es so zu bestätigen bzw. zu verwirklichen.

KNORPEL UND SEHNEN - Eine Vielzahl von Scores ergeben Bewegungen, die in mir das Gefühl wecken mehreren Ansätzen der Verwandlung eines Menschen in ein Orakel beizuwohnen. Bewegungen, die über eine hohe Spannung des Körpers wirken, sind womöglich die notwendigen Schritte eines Mediums, um Kontakt mit der Zukunft aufzunehmen, um in den Zustand des Sehenden, des Lesenden hineinzufinden. Haften bleiben mir die Augen, die schnell blinzelnd, ruckartig die Bewegungen des Kopfes führen. Auch die Hände sind als Erinnerung deutlich präsent, die das Auge manipulieren und offen halten und so eindrucksvoll verbildlichen, wie sich die Zukunft im gegenwärtigen Körper des Sehenden abdrückt und damals tatsächlich abgedrückt haben muss, so scheint es mir.

Die aus diesen Bewegungsabfolgen wachsenden Sprechakte bleiben konkret am Thema,
nehmen wenige Umwege über möglicherweise verbundene Themenkomplexe.

LEBER - Das Opfer diente ursprünglich nicht dazu eine Gottheit zufrieden zu stellen, sondern zelebrierte lediglich das für den Menschen Unerreichbare, das daher als das Heilige begriffen wurde. Dieses dionysische Fest des Opferns wird nun selbst seziert oder vielmehr se-zelebriert: Das nachvollziehende Handeln trennt den Körper des Themas Stück für Stück auf und bleibt dabei offen für seine lustvolle Komponente. Die einfache Übersetzung der antiken Formulierung „Sacrum facere“ - „Das Opfer machen/Das Heilige machen“ - zeigt logisch auf, dass es methodisch nach der legitimen Variante dürstet, sich dem Thema über ein nachvollziehendes Handeln oder Machen zu nähern. Künstliche Theatralität oder theatralische Kunst käme dem Thema nicht bei. Dies soll jedoch nicht heißen, dass dem Publikum eine ästhetische Anordnung vorenthalten bleibt.

Durch die Klarheit der Anordnung und der Haltung, bin ich als Betrachter nicht auf der Suche nach Deutungen, semiotischen Übersetzungen oder Zusammenhängen, sondern kann mich an der Verwirklichung des Experiments beteiligen. Am Ende des Abends steht kein Rückschluss und keine Bilanz oder Schlussfolgerung. Vielmehr hat eine ganze Reihe von Eindrücken Spuren in mir hinterlassen, die ich in diesem Text versuche zu rekapitulieren. Keine teleologische Zuspitzung auf eine bestimmte Aussage, sondern eine organisierte Reihe von Bildern, aus denen jedem/r Betrachter*in andere Sequenzen haften bleiben.

- FETT

Im Zentrum steht die Überprüfung der antiken Vorgänge und Bilder des Opfers und des Orakels mit einem realen Anspruch. Und so tritt auch die physische Realität der Organe zu Tage. Was ist da in mir? Was für Informationen über mich und welches vielleicht für den Menschen nicht mehr erreichbare Wissen stecken eigentlich in meinen Sehnen, Knorpeln, meinem Fett, meinen Drüsen und Säften? Das was im Tanz als Körpergedächtnis oder Körperintelligenz so oft zitiert wird, muss doch irgendwo in diesen Organen sichtbar sein? Das Fragende Moment des postdramatischen Ansatzes wird deutlich und bewegt mich dazu, die Fragen, die bei mir aufgekommen sind zu notieren und den einzelnen Szenen zuzuordnen. So ergibt sich ein Pattern, von formulierten Fragen und bildhaften Untersuchungen.

Mit Genuss und einem süffisanten Lachen schleudert Claudia Bosse ein Herz an einer langen Schnur durch den Raum. Wird der Umgang mit Organen womöglich spielerisch, sobald man sich an die Arbeit mit ihnen gewöhnt hat? Durch das offensichtliche Ausstellen dieser Provokation scheint mir das lustvolle Schleudern des Herzens nicht sehr provokant, sondern im Ablauf des Versuchs eher als eine folgerichtige Facette des „Sacrum facere“ - das in ausschweifenden festlichen Orgien gefeiert wurde.

Warum also kein Herz herzlich lachend schleudern? - HERZ

HAUT - Gegen den Authentizitätswahn des postdramatischen Theaters, das so häufig mit namentlicher Vorstellung und dem Verlesen von biographischen Fakten der Akteur*innen arbeitet, setzt die Regisseurin und Performerin Claudia Bosse mit Claudia Bosse einen doppelten Boden ein. Claudia Bosse spielt Fußball, wollte schon als Kind zur Polizei, ist Staatsanwältin, zuständig für Morddelikte und fragt sich, was eine Sache ist und ob ein menschlicher Schädel, dem die Haut abgezogen wurde, auch lediglich eine Sache ist. Soweit die Sätze, die neben zahlreichen anderen, in mir deutlich geblieben sind. Durch den Sprechgestus in dem Claudia Claudia sprechen lässt und durch die Dauer der Verlautbarung biographischer Fakten, durchlebe ich verschiedene Stufen des Verständnisses. Zunächst gehe ich von der Überblendung von Fakten einer anderen Person auf Claudia aus - die Idee eines Orakels, dass entfernte oder vergangene Personen mit dem eigenen Körper wiederbelebt? Danach gehe ich von völlig umgedeuteten biographischen Situationen aus, die ein Orakel möglicherweise fehlgedeutet haben könnte, bis ich stutzig werde, da diese Optionen nicht zum Versuchsaufbau des Abends passen. Claudia Bosse heißt tatsächlich ebenso Claudia Bosse, wird mir nach und nach gewahr. Multiple Realitäten zweier Claudia Bosses sind auf der Bühne manifestiert. Die eine ist tatsächlich Spezialistin für Tötungsdelikte und Organe, wie leblose Körperteile untersucht sie nach Hinweisen auf Vergangenheit. Sie ist das invertierte Orakel als Schaltstelle unserer Gesellschaft.

Mein Vorgang der Erkenntnis über das Verhältnis der beiden Claudia Bosses ist exemplarisch und zeigt, wie ich mir das Experiment nach und nach selbst erarbeiten kann.

LUNGE - Fragen an die patriarchale Struktur der antiken Polis, der “Wiege unserer Demokratie“ und unseres Gesellschaftssystems, kommen durch den Auftritt eines weiteren Komplizen auf. Er stellt sich selbst mit dem Satz „I am the sacrifice, I will be sacrificed“ vor und wirkt auch durch den Einsatz von hoch gepitchten Mikrophonen androgyn. Wer ist bzw. war in der Position ein Opfer zu zelebrieren und wer durfte, musste oder sollte als Orakel dienen oder gar herhalten? Wer bestimmt jemanden, der daraufhin die Gegenwart durch seine Prognosen bestimmt?

„How long can you take us Gaia?“
Ist die letzte Frage des Zeitgeistes, die durch den Raum schallt und die auch das Orakel, dass sich zeitweise im Raum befand, unbeantwortet lässt.

Constantin Leonhard absolvierte den Master Szenische Forschung und studiert an der Kunsthochschule für Medien Köln. Er konzipiert Performances für urbane und theatrale Räume. Aus seiner ursprünglichen Arbeit am Theater entwickelt er Fragestellungen zum Verhältnis von Publikum, Zuschauer und Raum.



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based on the online film-streaming, presented by goethe-institut chicago (28th november 2020)

ANIMALITY HUMANITY by Riyadhus Shalihin

In an entirely white performance space, several objects are lined up within plain sight. They are hanging, leaning against the wall and lying on the floor: they are scattered but strong in their presence. It’s the white color of the performance space that heightens the visibility and presence of everything positioned inside of it.

A performer comes forward, walking sharp and precisely. It’s Claudia Bosse, director, choreographer, installation designer, and performer. Claudia Bosse stands firmly, her feet grounded, connecting to earth, her feet firmly stuck to the floor. Her gaze wanders through the room. She begins to move every joint of her body and - moving clockwise - points out details within the performance space.

Claudia accentuates the very corners located outside and inside the body. Sometimes She puts her finger into her mouth, into her own eyes. For me, the scene is kind of a conversation between body and space, between the body's architecture and the theater's architecture.

Claudia occasionally throws her hands around. All the movements are carried out by Claudia's body, in a quiet setting. Before she leaves the room, the trembling sound, composed by Guenther Auer, bursts into the room. Claudia reenters the space, while she is pulling four glass containers behind her, connected by ropes. Each of them contain organs from the inside of an animal's body. One glass container appears to be filled with hearts, another with the inner skin layer of an animal's body.

The sound which Guenther produces is reminiscent of ceremonial opening drums of a ritual. Claudia takes with her the insides of a sheep and carries them to one end of the room. She slowly stretches the material and comes closer to the audience. They experience these two sensations of getting to watch this stretching of the material further away and closer, where every detail of the skin vertebra and the skin's veins can be seen in its precision. Claudia walks, and for a moment, the sound stops. Other sounds, from pounding and stepping her feet on the ground, make up an orchestration of body sounds.

Claudia puts on gloves and stands in front of the microphone. Instead of speaking, Claudia stutters, as if she were to say something that is too difficult to describe. The sentences that do not come out are reminiscent of choking. When the sentence finally do come out, it seems like Claudia is trying to spell out the words with her whole body, instead of speaking with only her mouth. The voice, the body, and even the microphone she is holding, form a rhythm. Slowly Claudia begins to speak.

You are beautiful, You are so beautiful, You are all so beautiful, Your beautiful bodies, Your beautiful souls. Welcome all here, To this orgy of the past with the future, To this orgy of the future with the present, To this manifold, to this orgy all times.

You are so manifold, all this with us, all are with us. All is in us, All times and spirit. We are together. I am your shadow, exploring the void.

I want your tongue. Your tender tongue. Your tender tongues. Touch by the breath. Touch by your breath. I want your tongue. Your tender tongue

After saying these words, Claudia slowly walks towards the back, waving her arms upwards. She slowly walks through the room, measuring the position of her body, swaying and balancing, sometimes stomping her feet on the floor.

In a heavy tone, Claudia slowly speaks again, as if she were invite the audience to meditate within an emergency; a murmur of chaos, a flutter of the apocalypse.

You will have seen how the trees revolt. The organs will not have left us. The dead of the seas will have come out of the water. The stars and planets will have adopted us. We will have shared the same air. You liver will have been dark red

A pair of gloves cover Claudia’s eyes. From the right side of the performance space, someone enters, takes off the shirt he is wearing and pulls Claudia across the room by her leg.

Sacrificial constellation and radical equality interspecies

On the basis of the constellation of organs in an animals' bodies, Claudia reads the organs to predict the future. These practices were carried out in the Babylonian culture, as well as the Etruscans. There are two cosmic constellations, which connect organs in the human body and to the outside of the human body: body cosmology and world cosmology.

The sacrifice becomes kind of a bridge that connects the human world to a broader knowledge of the world. Through animals' internal organs, animals become entities that contain knowledge that is of interest to humans. The human body, at this point, has no power to digest the power of nature. The animal body is a source of infinite knowledge. Instead of the animal's body only as a medium, using Anna Tsing's perspective on anthropocentrism, we can argue the animal's body to be the equivalent of the human body.

What happens when the human body is always positioned as the center of the world? Anna Tsing's book titled "The Mushroom at the End of the World - On the Possibility of Life in Capitalist Ruins" (2015) radicalizes the anthropological perspective. If previously humans were the rulers over nature, the masters of objects, plants, and animals, this direction has led the world to the collapse of the natural order, ecological disasters as a result of capitalist practices. Anna describes the "matsutake mushrooms" as post-ruin organisms. Matsutake mushrooms were the first living organism to spread, following the atomic bombing of Hiroshima by the United States of American.

Matsutake Mushroom itself is a plant organism that can grow anywhere, even in the dirtiest places or post-war destroyed locations. The performance stresses how the "body" within the anthropocene worldview has changed; that there are other body organisms, which reshape the idea of ??humanity. That the human body is not the center, there are other materials of importance, that have been neglected. This is shown by the act sacrificing. Claudia replaced the animal body with a human body, lying on a sheet of aluminum. Slowly Claudia, one by one, beaks eggs onto the human body. A sacrifice, a smeared offering.

The body is presented, covered in dispersing egg yolk. The performer then stands up and approaches a microphone, that is located behind him. The performer, Jonas, begins to speaks, his voice heavily distorted, a sound effect created by Guenther Auer, that makes Jonas Tonnhofer sound very alien-like.

I am the sacrifice. I am the becoming. I am the in-between. I have no age. I have no sex. I am an animal. I am a bacteria. I am a multitude of bacteria. I offer me. I am a sacrifice. Take my organs. Take my testicles. Take my liver. I am your oracle.

Assemblage of the victim and the priest

One of the texts spoken by Jonas Tonnhofer relates to a theatric practice: assemblage.

An Assemblage is precisely this increase in the dimensions of multiplicity, changes in natures, as it expands its connections, to make a radical break between regimes of signs and their object. (Deleuze & Guattari:1987, 7-8)

Assemblage, accumulating, and multiplying dimensions disrupt this view as the human body as the center and all things outside the human body as objects. There’s value in expanding our understanding by assessing various entities that have been understood as objects. This criticism is achieved solely through giving the object power.

The multiple “must be made”, with the number of dimensions one already has available. (Deleuze & Guattari:1987, 7-8)

The form of assemblage in this performance can be seen in the shifting exchange - between the human body as the flesh and the human body as the object of sacrifice. Within one scene, Claudia is seen chanting a spell in front of something that resembles a human intestine. Slowly Claudia tears into the exposed the material, eviscarating the inside. Claudia takes this material and places it on the foil spreadsheet, where previously the human body lay.

Claudia positions herself next to Jonas Tonnhofer, the two bodies mirror each other and reflect on each other. Claudia, staring at the indicated torn gut and slowly starts singing a loud litany. An ode of good-bye to the human body that is no longer the center. There is no more a claim to the human body's greatness. The altar offers the death of the human body.

The primal endoscopy: the world inside and outside the body

Claudia picks up one wig and puts one end in her mouth. In quick movements, she throws her head around so that the materials swings in the air. In another corner of the stage, a lung hangs from the ceiling. We can see the manifestation of the machine that works inside our bodies. A world within a body that we never imagine. The organ enlarges and shrinks, breathes, exposed outside the body, organs without bodies. Slowly Claudia mentions, one by one, the names of the organs in a body, as her own body rolls on top and inside of the large material, resembling the human intestine. Her body is positioned within the organs.

One takeaway from Claudia's performance, apart from showing the politics of equality of species, I experienced that all kinds of organs in my body are also a world of their own that I never imagined was so vital. I never observed these organs until I had an appendectomy when I was 14 years old. I never really got to know the insides of my body before that day. I was lying on my back on the operating table. Morphine was supplied to me through my nose, and within seconds I was unconscious. The next day, I woke up and felt excruciating pain in my stomach. Not long after, the doctor came and gave me an intestine that was conveyed in a jar. Looking at my intestine, a part of my body that I never knew, shaped by its placement in the jar. I looked at my own body's biography and history, which I never knew, an organ that resides in my body, which records my life history from within.

Claudia Bosse's performance seemed to follow an endoscopic practice, an endoscopy into myself. Everything that goes on in my body, accentuating all kinds of bodily activities that I do. My activities and existence in the world, would not be possible if there were no organs in my body. This means that my body's ability is achieved through a network that allows my existence in the world. Also determined and choreographed by the world inside my own body, a planetarium of the solar system of organs in an intricate pattern.

The performance continues - until finally, a large white plastic human heart-shaped object suddenly falls right next to Claudia. Claudia takes three microphones and places them in front of the liver. She then slips under the large heart-shaped installation.

The heart-shaped matrial is slowly enlarging and shrinking, breathing intensively. Claudia lays under this plastic installation and then speaks into the three-microphones, the sound coming out distorted.

I whisper to you. You sheep. My question into the ear. This question moves within you. From your ear. Over the auricle, into your brain, into your bloodstream. Via the esophagus it reaches your stomach.

Until this question circulates. Circulates in your body. I cut your throat. A clean cut. The blood pumps from your body. The sounds of your body. Until your body collapses. The power disappears from your 4 legs. The red liquid leaves your body. I read your liver, and find the answer to my question.

The last scene depicts the inevitable attachment between humans and their equivalent species’ entity, the animal entity. Through this performance, a political one, it can be understood that the "animal body" is a source of knowledge, no longer an object of knowledge. Animality and humanity are beside each other equally. Every human activity is encouraged by other animals, so humans are radically deprived of their particular position as masters of the world. I will quote the first sentence in Giorgio Agamben's book, "The Open: Man and Animal," about the impossibility of human life without the interfering presence and mutual participation of animals.

If animals did not exist, the nature of man would be even more incomprehensible. (Georges-Louis Buffon).


Writer: Riyadhus Shalihin is an artist, dramaturg, and researcher, based in Bandung, Indonesia. Graduated from the Faculty of Performing Arts, ISBI Bandung, and master from the Faculty of Visual Art and Design, ITB Bandung. In 2016, he co-founded the Bandung Performing Arts Forum (BPAF). Riyadhus is currently pursuing a method of “performative forensics”, a research-based artistic practice using the method of examining space, memory and archives.

Proof-reader: Gatari Surya Kusuma is a cultural arts worker based in Yogyakarta. After graduating from the Department of Photography at the Indonesian Art Institute in 2016, she worked extensively in the field of research with the KUNCI Study Forum & Collective and Bakudapan Food Study Group. Recently, much work has been done on the topic of exploring learning methods in collective work.

Bibliography
Tsing, Anna. (2015) The Mushroom at the End of the World - On the Possibility of Life in Capitalist Ruins, USA, Princeton University Press.
Gilles Deleuze and Felix Guattari. (1987) A Thousand Plateaus – Capitalism and Schizophrenia, Minneapolis: University of Minnesota Press


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zum probenprozess (18. august 2020, wien)

assoziationen, wahrnehmungen, notizen von oliver maus

you are beautiful
you are so beautiful
you are all so beautiful

was sehe ich? einen körper. einen körper im raum.
einen körper im raum mit meinem körper, mit anderen körpern im raum. ein körper konzentriert sprechend.
ich brauche einen moment mich einzulassen

to this orgy of the past with the future
to this orgy of the future with the present

wie bin ich hier verortet? eine orgie aus der vergangenheit, die die zukunft aufruft; eine orgie der zukunft, die die gegenwart heranzieht. ein aufweichen von zeitebenen also. damit wird mir allein mit der referenzierung von vergangenheit und zukunft das gegenwärtige bewusst. was macht diese vermischung auf?

claudia durchquert teile des raums. es sieht aus wie eine suchbewegung. es sind unsichere schritte, so als ginge sie den weg zum ersten mal. als bedürfe es genauer abwägung, wohin es gehe.

glitzernes material wird wie ein organ in den händen gehalten.

tu veux pas savoir
das fleisch, die gedärme, die nieren, das herz

die stimme ist verzerrt. die verfremdung bedingt, dass sie nicht geschlechtlich zuordbar ist; oder sich allgemein von der menschlichen stimme entfernt. ist hier eine sprecherposition lesbar? viel eher erscheint es mir, als gehe es genau um diese auflösung eines spezifischen körpers hin zu allgemein einem körper. dem körper an sich.

das lesen in den organen; ein körper in ekstase?
das lesen in den organen geschieht nicht bloß mit dem fremden körper. das aufzählen der einzelnen körperteile, organe, gibt eine idee davon, dass -wenn die zukunft in den organen fremder körper steckt, auch der eigene körper das potenzial hat die zukufnt lesbar zu machen. zeit steckt im körper (die vergangenheit am offensichtlichsten, aber in dieser idee auch die zukunft), wie zeit in jedem material festgeschrieben ist.

eine suchbewegung am eigenen körper. claudia fährt mit dem finger über die eigene haut. venen absuchend. den blutkreislauf des körpers nachzeichnend. die beschäftigung ihrer mit dem eigenen körper überträgt sich: ich spüre nach, werde mir meines eigenen blutkreislaufs bewusst, betrachte eigene freigelegte venen und arterien.

ein suchen am eigenen körper, ein suchen am anderen körper durch die kopräsenz im raum. zuschauende sind eher indirekt adressaten über claudias körpergebrauch, aber wie genau?

claudia bosse erkennt eine zweite claudia bosse; ein erzähltes zurückliegendes erkennen eines zweiten ichs, im echten leben sowie ein erkennen eines zweiten ichs jetzt gerade im spiegel. ihre blicke adressieren: claudia blickt mir über den spiegel direkt in die augen. ich blicke claudia über den spiegel direkt in die augen. genauso sehe ich aber auch mich; ob ich mich direkt ansehe oder nicht, kann ich mich als ein zweites ich im spiegel wahrnehmen. ich finde mich in dem gesprochenen direkt wieder; vielleicht nicht wegen einer direkten begegnung mit einem namensvetter, aber über das denken an ein zweites ich und an all die implikationen, die damit einhergehen: was bin ich, was bin ich nicht; möglichkeitsräume eines zweiten ichs, was kann ich sein. interessant weil nach lacan’s spiegelstadium das spiegelbild das eigene erkennen als selbst ermöglicht und ich frage mich inwiefern das im späteren leben über bewusstes ansehen des spiegelbilds verstärkt wird mit dem spiegelbild nicht als „ich“ sondern als „gegenüber“.

ich frage mich außerdem: was macht das adressieren über blicke mit einer performance in fragiler raumsituation. in der theorie kann das direkte adressieren zuschauende in die performance einbinden. in dieser raumdisposition sitze ich nicht versteckt im abgedunkelten publikumsraum hinterm orchestergraben. über den blick werde ich offensichtlicher teil des geschehens. ein blick zwischen performenden und rezipierenden kann sich intim anfühlen, manchmal unangenehm intim. warum unangenehm? da andere zusehen. ich werde meiner selbst dann bewusst, aber nicht unbedingt auf eine produktive art und weise innerhalb so etwas wie einer diegese (in diesem fall dem erzeugten raum innerhalb der performance), sondern innerhalb des aufführungssettings. nicht nur die performende person sieht mich an, ich rücke damit auch für das restliche publikum in den fokus. ich glaube performen zu müssen, den blick halten. ein ostentativer körpergebrauch, der für den moment belebt, aber im vorbeiziehen des moments ins gegenteil umschlägt, sobald ich wieder „unsichtbar“ werde.

was machen blicke in einer performance und was erzeugen sie? wie damit arbeiten? blickregime, die eher nach innen gerichtet sind bedeuten keinen automatischen ausschluss anderer. gilt das gleiche für worte? worte, die nicht direkt adressiert sind, können trotzdem durchdringen? erschaffen sich zuschauende während der performance einen eigenen raum, für den sie selektieren, was sie durchlassen?

wie ich ihm gierig zusah, wie er sich die frauenkleider anzog
um am opferstein des tieres eingeweide zu beschauen

claudia steht am mikrofon und beschreibt die szenerie einer eingeweideschau. die betonung der worte wirkt scharf, kantig, exakt. untermalt werden die worte durch starkes gestikulieren.

ich blickte auf die erregten aufgerissenen gesichter der menschen,
die das opfer und den priester dicht umstanden

eine wiederholung der worte, ein anschwellen, eine verstärkung des gesprochenen. über die wiederholung habe ich bereits ein grundverständnis für den inhalt, ich kann mich einlassen. für einen kurzen moment glaube ich die szenerie vor mir zu sehen, so als wäre sie aus der vergangenheit über die kombination aus sprache und gestik hervorgeholt worden.

womit bleibe ich außerdem zurück? der frage nach meinen assoziation zu oracle and sacrifice. meine assoziationen zu den begrifflichkeiten gehen richtung „naturvölker“? ein exotisierender blick also auf andere kulturen. finde ich etwas davon in der performance? es scheint mir als seien die begriffe hier abstrakter gedacht, als ich es im vorhinein assoziiert hatte, was mir aber auch viel sinnvoller erscheint, versucht man sie so in ein jetzt zu holen und keinen außenblick sondern einen blick nach innen zu evozieren.

oliver maus absolvierte den bachelorstudiengang "theater-, film- und medienwissenschaft" an der universität wien und schloss daran mit dem trinationalen, bilingualen masterstudiengang "medienkulturanalyse – theater und medienkulturen im transnationalen raum" in düsseldorf, wien und nantes an. er hat für verschiedene magazine redaktionell gearbeitet. neben seiner tätigkeit als freier journalist arbeitet er seit 2019 in der kommunikation und öffentlichkeitsarbeit von theatercombinat.




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