theatercombinat | 24. - 28.06.2002 SCHLAFgegen düsseldorf, 5tägige stadt/schlafinstallation im rahmen von city-mapping/FFT (forum freies theater, düsseldorf), theater der welt 2002 (d)

sprache: deutsch

beiträge von:
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luisa goergen
  Schlaf gegen Düsseldorf oder Düsseldorf gegen Schlaf.
Luisa Goergen

Wie schläft es sich so draußen in einer geordneten Stadt wie Düsseldorf und wo vor allem? Zitate von "Experten" und "Experimentierenden"

"Hier auf der Friedrichstr. ist immer ein frisches Lüftchen - es zieht hier eigentlich - unerträglich manchmal. - Nachts fahren nicht so viele Autos, ich höre das auch schon gar nicht mehr, schlafe gut dabei ein. Ab und zu gibt's Ärger mit Leuten die hier vorbeikommen, aber wenn jemand versucht mich zu bestehlen, dann gibt's Mord und Totschlag. Eine alte Frau bestehlen, wo gibt's denn so was."

"Das Ordnungsamt war gestern da, die haben gesagt, daß ich hier weg muß. Die Plane mußte weg, ich habe alles zusammen räumen müssen und ein paar Meter weiter gehen. Die kommen jetzt wieder, ich weiß nicht wo ich hin soll, wo soll ich denn hin mit meinen ganzen Sachen?"

"Wer in Düsseldorf schläft, ist doch blöd, in die Randbezirke muß man gehen, da ist es schön ruhig und man wird in Ruhe gelassen. Wo? Das sage ich dir nicht."

"Gestern nacht war es elend naß, heute morgen konnte ich meine Decke nehmen und das Wasser lief so raus. Jetzt hängt alles in den Bäumen zum trocknen, meine Klamotten sind auch naß, aber es ist ja warm, kann ich bei euch gleich duschen kommen?"

"Jetzt haben sie mir sogar die Pappen geklaut, nix kannst du liegen lassen, wie man sich so beklauen kann, untereinander auch noch, das versteh ich nicht - oder Avista hat geräumt. Ich habe langsam keine Lust mehr, immer wieder von vorne, immer sind die Sachen weg aber was soll ich machen?"

"Kalt wars, aber besser mit einer Decke draußen, als im Schlafsack. Im Schlafsack bist du wie ein Paket, da kommst du gar nicht schnell genug raus, wenn dir jemand was will. Ich schlaf nie mit einem Schlafsack. Viel zu gefährlich. Hast du mal ein paar Cent für einen heißen Kaffee?"

"Jetzt wo es warm ist, geht es wieder ab an den Rhein. Ist doch wie Urlaub, total ruhig, keiner stört dich und du hast den ganzen Tag nur grün um dich. Die Hunde können hier laufen, die würden in einer Wohnung bekloppt werden. Hier kann man super schlafen, und mit mehreren überhaupt kein Ärger. Wo ist das Problem? "Was soll ich in der Notschlafunterkunft. Versuch du mal zu pennen, wenn alle um dich herum Zirkus machen, außerdem mit sechs Mann auf einem Zimmer, das hältste nicht aus, ein Gestank sag ich dir und dann noch vielleicht voll gesoffen. Eine eigene Wohnung will ich, aber die hast du nicht, die gibt es für so einen wie mich ja nicht. Da schlaf ich lieber draußen, da kann ich meine Würde behalten, verstehst du nicht, was? Weißt du überhaupt, was Würde ist?"

Ist Würde vielleicht etwas, was Geld kostet? Nicht nur, denn auch Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfänger erhalten nicht unbedingt die Möglichkeit zu einem dementsprechenden Wohnen. Es gibt genug andere, die neben festem Gehalt die persönlichen Voraussetzungen bieten, die sich hier so ein Vermieter wünscht. Ist Würde etwas für Menschen, die sich nie etwas zu Schulden kommen ließen? Dies würde zumindest erklären, warum jede Schufa-Auskunft diesen Menschen bei der Wohnungsanmietung den Hals bricht. Ist Würde nur etwas für Menschen, die nie Suchtprobleme entwickelten, zumindest in der Art und Weise, daß es sie zeitweise arbeitsunfähig macht? Das Alkohol und Drogensucht ein als ein krankhaftes Verhalten betrachtet wird, spielt zumindest für die Suche nach einem eigenen Bett keine Rolle mehr. Gibt es kein Recht auf den Schlaf im eigenen Bett, sauberer Bettwäsche und ruhiger sicherer Umgebung, wenn man Alkoholiker ist? Menschen, die ihr Leben in dieser Stadt außerhalb eines geregelten Arbeitsprozesses führen, leiden wohl am meisten unter Schlaflosigkeit. Wo sind die Wohn- und Lebensräume derer, die nur 286 Euro monatlich zu Verfügung haben? Wo finden sie sich zusammen mit Freunden um ihre Kontakte zu halten, wo die Straßen dieser Stadt nur für Menschen bestimmt sind, die sich auf dem Weg irgendwohin befinden. Das gemeinsame Bier kann sich sehr schwierig gestalten, wenn man nicht am Ürige steht. Die Rechnung deswegen nicht unbedingt billiger. Ein ausgesprochener Platzverweis vom Ordnungsamt kann 100 Euro kosten.

Schlafen gegen Düsseldorf, gegen die Produktionswut und das Leistungsdenken, daß Menschen, die sich darin befinden, zu müde macht, um auch noch andere, davon ausgegrenzte Menschen wahrzunehmen, daß diesen ausgegrenzten Menschen den Schlaf raubt in Notschlafunterkünften, Parks und Hauptverkehrsstraßen.


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