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claudia bosse / theatercombinat


1/1999 – 12/2000 massakermykene «orestie» aischylos, «fatzer-fragment» bertolt brecht, 2 jahre proben, 15 veröffentlichungen zwischen 36 minuten und 36 stunden dauer im schlachthof st. marx, wien (a)


massakermykenematerial 1-8
fotos

der standard 4/2000
ronald pohl
frankfurter rundschau 4/2001
dirk baecker
text und spiel 07/2000
carena schlewitt
nachträge zu massakermykene 11/2000 hans-thies lehman u.a.
humanistische blätter 2/2001 georg danek
  eine zweijährige forschungsarbeit zu chor/improvisation/raum im 50.000 qm großen schlachthof st. marx, wien. eine tragödie in drei teilen aus dem 5. jh. v. chr, geschrieben für den wettbewerb: «orestie» (aischylos). ein fragment aus dem 20. jh., geschrieben zur «selbstverständigung» des autors: «fatzer-fragment» (brecht).

die antwortlosigkeit der tragödie, des fragments - keine sinnstiftung von recht, politik, philosophie. eine untersuchung von bedingungen des theaters. zentrum der verwendeten texte ist der chor. zentrum dieser arbeit war die recherche mit unterschiedlichen chormodellen.

die architektonische dimension von st. marx sprengt alle gesetze von theater - akustik, perspektive etc. distanzen sind nicht angedeutet, sondern real. auf grundlage der texte mussten techniken entwickelt werden, so dass das gesamte schlachthausgelände als theatralisches system bearbeitet werden konnte.

 

konzept/regie: claudia bosse, josef szeiler, spieler/mitarbeit: markus keim, andreas pronegg, christine standfest, doreen uhlig, kristina zoufaly, gast: maya boesch, fotografie: christian koblizek, hélène göhring, kleidung: edwina hörl, trainer: wang dongfeng, bert gstettner, loulou omer, sonja schmidlehner, temporär: bernadette konzett, susanne meier, christian ofenbauer, arno rabl, tina seezen, beratung text: georg danek

schlachthof st. marx, 1110 wien, 2 jahre proben, 15 veröffentlichungen zwischen 36 minuten und 36 stunden

unterstützt von wien kultur und bka kunst

foto: helene göhring
« der text ist präideologisch, die sprache formuliert nicht denkresultate, sondern skandiert den denkprozess. er hat die authentizität des ersten blicks auf ein unbekanntes, den schrecken der ersten erscheinung des neuen. (...) der schreibgestus ist der des forschers, nicht der des gelehrten, der forschungsergebnisse interpretiert, oder des lehrers, der sie weitergibt. » heiner müller zu fatzer   orestie von aischylos (verwendet wurde nur agamemnon), in der übersetzung von oskar werner und mit auszügen aus dem altgriechischen originaltext unter beratung von prof. georg danek. fatzer-fragment von bertolt brecht (in der chronologischen ordnung der kommentierten ausgabe von günther gläser - stücke 10, aufbau 1997 - mit selbstrecherchierten korrekturen im brecht-archiv berlin).

die beiden texte bieten sprachliche und formal-theatrale konfrontationsräume und beinhalten unterschiedliche gesellschaftliche modelle. jeder text gibt einen bestimmten rhythmus vor, als reibungspotential für spieler/zuschauer. er organisiert ebenso wie der raum die gesten/ausdrucksmittel/möglichen konstellationen.

schlachthof st. marx. das uneinheitliche gelände konfrontiert in seiner anlage verschiedene zeitzonen: die schlachthallen, die betonierten vorplätze, die stadtautobahn. im konflikt dieser pole, beim geräusch der stadt, wird es unmöglich illusionsräume aufzubauen. die realität ist als "störendes" moment immer vorhanden. die karge weiträumigkeit der anlage steht im widerspruch zur enge und kleinteiligkeit der stadt. ein verlassener ort.

in die struktur der räume wurde nicht eingegriffen (keine dekoration), es wurde mit ihr gearbeitet.


fotos: clemens scharre. für fotostrecke bitte klicken
 

« der mythos in seiner authentischen form gibt antworten, ohne jemals genau die fragen zu formulieren. die tragödie, wenn sie mythische formen verwendet, benutzt diese, um durch sie probleme zu zeigen, die keine lösung haben. »
jean-pierre vernant
  kommunikationssysteme. die konstruktion des «stücks» entsteht aus der wechselwirkung zwischen spiel/bewegungsform und selbstthematisierung des zuschauers. der zuschauer wird zum «schnittmeister» seiner bilder und zum träger seiner bewegung. die strukturierung des raums geschieht durch die spieler und durch ihre bewegung im gesamtraum, das ständige wechseln in andere raumsegmente, sowie das permanente neuformieren in andere figurenkonstellationen.

durch die reduktion der mittel auf die sprache und den körper im raum wird der körper kommunikationsgrundlage in einem prozess kollektiven physischen erfindens.

nach einer phase der verwerfung aller traditionellen gesetze von theater (bühne, reproduktion, figurenspiel) begann innerhalb des probenprozesses eine präzise untersuchung von räumlich bestimmtem gestenpotential, das die spieler sich körperlich zu bestimmten textfragmenten in bezug setzen liess. die entwicklung eines kollektiven verständnisses wurde im prozess des spiels vorangetrieben.

die arbeit zielt auf die erprobung von theater als rituellem erfahrungsraum für soziale praxis.

www.theatercombinat.com theatrale produktion und rezeption